Hätte ich 1 Herz es würde brechen und heilen

Hassrapper, heißt es, sei er. So sieht man ihn, so will er gesehen werden, zumindest mag man das glauben, er mag es sein, vor allem aber ist er ein Sprachkünstler: Einer, der genau hinschaut, hinhört, einer, der wahrnimmt und fähig ist, all das in Worte zu fassen.
Ja, er schimpft, ja, er flucht, ja, er ist wütend. Aber es ist kein Hass, was ihn umtreibt. Hass ist zu profan und zu plump, Hass erschafft nicht. Doch Schwartz tut dies: Zu sagen, er bringe Dinge auf den Punkt, wäre eine Floskel und Floskeln können wir nicht gebrauchen. Wir brauchen keine alten, ausgelaugten Metaphern, keine Bilder, dir wir zu oft gesehen und besprochen haben und wir brauchen erst recht keine blumenreiche Sprache, die die Welt ablenkend beschönigt, obwohl in ihr der Ekel lauert, die abgrundtiefe Abscheu, der zerstörerische Wahnsinn.
Schwartz legt mit „Du scheinst wie aus Dunkelheit“ einen Gedichtband vor, der leise zu sein scheint, es aber nicht ist. Es sind keine Liebesgedichte (wie man vermuten könnte, da sie alle laut Klappentext „für eine Frau“ geschrieben wurden), die eine Dark Lady umwerben. Vielmehr sind es Gedichte, die aus Liebe entstanden sind, es sind Momentaufnahmen, verspielte Assoziationen, wilde und auch sanfte Gedanken, kurze Abenteuer in der Stadt, auf der Straße, bei der Arbeit. Es sind Überraschungen, es sind Geschenke.
Er verzichtet auf Zeichensetzung, er nutzt Ziffern statt unbestimmter Artikel und statt Zahlwörtern, er erschafft sich eine eigene Grammatik, er ächzt und seufzt, er ufft und lolt. Neu ist das nicht, verdammt sei, wer so etwas denkt, die zeitgenössische Lyrik wurde nicht erst gestern erfunden. Die Schwartz’sche Sprache ist viel radikaler und sie muss es sein: Sie ist das geschärfte Schweizer Offiziersmesser, das Multitool, mit dem er das Feuerwerk im Kopf des, sagen wir es ruhig: Auserwählten in Worte gießt, den nie versiegenden Gedankenstrom, das Auf und Ab, das Hin und Her, gefiltert von einem klugen Geist, einem wachen, einem klaren, einem gelehrten.
Schwartz‘ Gedichte sind leicht und tonnenschwer. Es sind Preziosen, aber es wäre ein Frevel, sie in einer Schatulle zu verschließen. Die Lektüre erfordert Mut, erfordert die Bereitschaft, sich auf eine vielleicht ungewohnte Art des Singens einzulassen, ja, des Singens, denn jeder Dichter ist ein Sänger und auch Sprechgesang ist Gesang und schon sind wir da, wo wir herkamen: Beim Hassrapper, der nicht hasst.
Kaufen Sie das Buch, lassen Sie sich auf Schwartz ein: Es lohnt.
Schwartz: Du scheinst wie aus Dunkelheit. Ach je Verlag. Berlin, 2021.
Erhältlich in jeder guten Buchhandlung oder direkt beim Ach je Verlag. Und bald auch bei Amazon (buuuuh!).
Twitter: @schwartz_ht
Höflicher Hinweis: Diese Rezension habe ich geschrieben, weil es sich um ein gutes Buch handelt, das ich mit Freude empfehle. Ich bekomme kein Geld dafür und auch keine anderen Leistungen wie zum Beispiel einen Gutschein von Jochen Schweizer.